Erinnerungskultur ist ein relativ neuer Begriff aus den 1990er Jahren, nachdem man zuvor eher eine Geschichts-Verdrängungskultur in Sachen „Drittes Reich“ pflegte. Übrigens auch in der Schule, zumindest in der Hildburg-Realschule, die ich besuchte. Judenvernichtung, Verfolgung und Vernichtung von Sinti und Roma, Tötung „unwürdigen“ weil behinderten Lebens war dort kein Thema. Das ist heute zum Glück anders und Schulen sind wichtige Orte für Erinnerungskultur geworden, siehe die jetzige Aktion des Gymnasium Ernestinum. Erinnerungen verändern sich permanent, alte werden gelöscht, neue hinzugefügt und bestehende Erinnerungen werden dadurch modifiziert. Also braucht es allein schon aus dem rein technischen Verständnis von Erinnerungen eine immer wiederkehrende Auffrischung, auch, wenn die heutigen Generationen – nicht einmal ich - so überhaupt nichts mit dem menschenverachtenden System vergangener Zeiten zu tun haben. Aber sie, die heutigen Generationen, könnten es wieder tun. Der Rechtsruck in der Gesellschaft ist schmerzlich festzustellen. Und deshalb ist Erinnerung in stetiger Wiederkehr richtig und wichtig. Ich war in der glücklichen Lage, einen 1:1 Kontakt mit Menschen gehabt zu haben, die in Rinteln während der Nazizeit lebten. Opa „Schorse“ erzählte bei einer Flasche Pomona Stachelbeer-Fruchtwein (tropfte wie Öl aus der Flasche), wo er in Rinteln niemals einkaufen würde: „Das waren die, die die Juden durch die Stadt getrieben haben!“ Auch wenn ich die Namen der Geschäfte, die – sofern noch existent - heute natürlich durch eine neue Generation ohne Erbschuld betrieben werden, nicht nennen werde, hat sich das in die Erinnerung eingebrannt. Und ja, wir brauchen eine ständige Auffrischung von Erinnerungen, damit man auch die Angst vor einem System von Unterdrückung, Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus, Unfreiheit und Massenmord ständig wach gehalten wird. Der AfD-Faschist Björn Höcke sagte einmal sinngemäß einem Journalisten auf eine für ihn unbequeme Frage, dass er, Höcke, ja vielleicht bald mal etwas im System zu sagen hätte und er diesem Journalisten dann die Arbeit schwer machen würde. Ein Anfang von etwas, das ich nie erleben möchte. Man sollte also mit seinen Gedanken viel öfter über die Geschichte und die Geschichten von Menschen „stolpern“.