Zwei Stolperschwellen | Wunstorfer-Stadtanzeiger

Zwei Stolperschwellen

Beim Blick über die abgelegten Steine an einer Gedenkstele im Klinikpark, fällt der Blick auf die Klinikkapelle, dem Sammlungsort vor den Deportationen. (Foto: gk)
Beim Blick über die abgelegten Steine an einer Gedenkstele im Klinikpark, fällt der Blick auf die Klinikkapelle, dem Sammlungsort vor den Deportationen. (Foto: gk)
Beim Blick über die abgelegten Steine an einer Gedenkstele im Klinikpark, fällt der Blick auf die Klinikkapelle, dem Sammlungsort vor den Deportationen. (Foto: gk)
Beim Blick über die abgelegten Steine an einer Gedenkstele im Klinikpark, fällt der Blick auf die Klinikkapelle, dem Sammlungsort vor den Deportationen. (Foto: gk)
Beim Blick über die abgelegten Steine an einer Gedenkstele im Klinikpark, fällt der Blick auf die Klinikkapelle, dem Sammlungsort vor den Deportationen. (Foto: gk)

Zwei Stolperschwellen werden vom Künstler Gunter Demnig am Mittwoch, 12. Juni, 9 Uhr, in zwei Zugängen zum Klinikgelände des KRH-Wunstorf verlegt. Dies geschieht im Gedenken an die Patientinnen und Patienten, die unter dem Naziregime aus der damaligen Landes-Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf abtransportiert und grausam ermordet wurden. Eine Stolperschwelle wird am Klinikzugang aus Richtung Stadtmitte / Südstraße, zwischen Verwaltungsgebäude und Haus 7, ihren Platz erhalten. Eine weitere am Klinikzugang aus Richtung Bahnhof / Hölty-Gymnasium, zwischen Haus 3 und der KRH-Information.

Die Stolperschwellen tragen in Gedenken an die Opfer die Aufschriften: „Von hier aus Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf 1930–1941 im September 1940 werden 158 jüdische Patientinnen und Patienten deportiert, ermordet im „Alten Zuchthaus“ in Brandenburg/Havel.“ Auf der zweiten ist zu lesen: „Von hier aus Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf 1930–1941 von April bis August 1941 werden 212 Patientinnen und Patienten deportiert, in großer Zahl ermordet bei der Aktion T4.“

Die KRH Psychiatrie Wunstorf als Psychiatrisches Versorgungskrankenhaus geht historisch zurück auf eine 1880 als Korrektionsanstalt und 1883 zur Korrektions- und Landarmenanstalt der Provinz Hannover erweiterte Einrichtung. Sie bestand 1930 bis 1941 als Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt, ehe sie 1945 bis 2007 niedersächsische Landeseinrichtung (NLKH) wurde.

Aus der Anstalt wurden organisatorisch und zeitlich unabhängig zwei nationalsozialistische Tötungsaktionen vorbereitet und durch Deportationen vollzogen. Für die von Finzen so genannte „Judenaktion“ war Wunstorf Sammel- und Deportationsort aus 25 psychiatrischen Einrichtungen in ganz West- und Norddeutschland. Verlegungen nach Wunstorf erfolgten ab 21. September 1940. Etliche Patientinnen und Patienten konnten davor bewahrt werden. Am 27. September 1940 wurden 158 Patientinnen und Patienten jüdischer Abstammung der GEKRAT übergeben und über den Wunstorfer Bahnhof in die Pflegeanstalt Buch bei Brandenburg und von dort weiter in die Tötungsanstalt Brandenburg/Havel deportiert. Sie wurden in der Gaskammer ermordet. Zur Verschleierung wurden private und behördliche Anfragen nach dem Verbleib aus einer nicht existenten Anstalt in Cholm/Lubmin mit Behauptung von Todesursachen beantwortet. Die Aktion erfasste in Wunstorf unmittelbar sechs Patienten und eine Patientin, die in Wunstorf bereits mehrjährig untergebracht waren.

Unter dem Codenamen „T4-Aktion“, die sich auf die Anschrift der Koordinierungsstelle des Programms in der Tiergartenstraße 4 in Berlin bezog, wurden zwischen Januar 1940 und August 1941 in sechs Vergasungsstätten ca. 100.000 seelisch kranke und geistig behinderte Bürgerinnen und Bürger ermordet. Sie wurden vergast, zu Tode gespritzt oder dem Verhungern preisgegeben. In einem bürokratisch organisierten Verwaltungsverfahren wurden Patientinnen und Patienten erfasst, die psychiatrisch/neurologischen Erkrankungen wie Schizophrenie, Epilepsie, Demenz, Enzephalitis litten, nicht deutschen oder „artverwandten“ Blutes waren, als geistesgestörte Straftäter oder strafrechtlich Verurteilte untergebracht beziehungsweise seit mehr als fünf Jahren eingewiesen waren.

Die Verlegung der Stolperschwellen wird durch Beiträge der Ärztlichen Direktorin des KRH, Iris Tatjana Graeff-Callies, den Vorsitzenden des Fördervereins „Psychiatriebewegt“, Andreas Tänzer, den Stadtarchivar Wunstorf, Klaus Fesche, sowie Schülerinnen und Schülern der Otto-Hahn-Realschule und des Hölty-Gymnasiums, Wunstorf, inhaltlich begleitet.

Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln, sogenannten Stolpersteinen, soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus (NS-Zeit) verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Angesichts der Gruppendeportationen werden in Wunstorf nicht einzelne Stolpersteine sondern Stolperschwellen verlegt. Über 100.000 Stolpersteine hat Demnig inzwischen verlegt. Die Stolpersteine wurden in Deutschland wie auch in 30 weiteren europäischen Ländern verlegt. Sie gelten als das größte dezentrale Mahnmal der Welt.


Winfried Gburek
Winfried Gburek

Freier Redakteur Schaumburger Wochenblatt

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