Als Ansprechpartner für die Handwerksbetriebe steht der Syndikusanwalt Andre Harting für die Landkreise Hameln und Schaumburg zur Verfügung. Die Interessenvertretung für Firmen und Betrieb aus Industrie und Handel in Schaumburg leitet Martin Wrede mit seinem Team. Zum Start des neuen Ausbildungsjahres verschaffte sich das SW einen Eindruck der beiden Fachmänner.
Handwerkerschaft: In dem Verbund Niedersachsen-Mitte mit den Kreisen Schaumburg, Hameln, Nienburg und Diepholz sind circa 4.600 Betriebe mit etwa 25.000 Mitarbeitern gemeldet. Von den derzeit 3.800 Auszubildenden lernen knapp 300 ihren neuen Beruf in Schaumburger Betrieben.
IHK: Die IHK Hannover mit den acht gehörenden Landkreise - von Göttingen bis Diepholz – hat ungefähr 10.000 Mitglieder, wobei grundsätzlich eine Mitgliedschaft in der Kammer verpflichtend ist.
Zum Ausbildungsbeginn hatten 378 neue Auszubildende ihren Vertrag im heimischen Landkreis unterschrieben. Im Vorjahr waren es lediglich 319. Martin Wrede freut sich über die Steigerung von 18,5 Prozent. „Schaumburg ist mit dieser Steigerung führend im Kammerbezirk!“
In einigen Handwerksberufen sind die Zahlen stabil, in anderen gehen sie kontinuierlich zurück
Handwerkerschaft: In den Handwerksbetrieben starteten in diesem Jahr 143 junge Menschen ihre Ausbildung – 2022 waren es 138.
Auch wenn die Zahl der Auszubildenden in diesem Jahr etwas über dem Vorjahresstand liegt, so sind es über einen längeren Zeitraum nach Angabe von Andre Harting, tendenziell immer weniger junge Leute, die einen handwerklichen Beruf ergreifen. Ganz deutlich ist es bei den Berufen Bäcker, Fleischer mit den dazugehörigen Fachverkäufer-Ausbildungen, zu erkennen. Glücklicherweise sind die Ausbildungszahlen bei Kfz-Mechatronikern, Tischlern sowie im Bereich Elektro/Metall und Sanitär/Heizung/Klima, seit Jahren stabil.
IHK: Die 378 neuen Ausbildungsverträge teilen sich auf in 264 bei den kaufmännischen Berufen und 114 im industriell/gewerblichen Bereich. Nach Angaben des Geschäftsstellenleiters vermerkt der Kammerbezirk langfristig leichte Zuwächse in allen Bereichen. Auch wenn über Personalmangel bei Gaststätten und Hotels geklagt wird, bei den entsprechenden Ausbildungsberufen ist ein deutlicher Zuwachs zu vermelden. Die Einschränkungen während der Corona-Zeit hatten einen großen Einfluss auf die Einstellungszahlen, so Wrede. Durch den Wegfall von Betriebspraktika und persönlichen Kontakten lagen die Auszubildendenzahlen in den beiden Jahren deutlich unter dem Durschnitt. „Der Ausbildungsmarkt ist ein Spiegel der regionalen Wirtschaftsstruktur und der konjunkturellen Entwicklung,“ zieht Martin Wrede sein persönliches Fazit aus der Zeit.
Die schulische Ausbildung von Bäckern konnte in diesem Jahr an der Berufsschule Stadthagen erstmalig nicht durchgeführt werden
Handwerkerschaft: Dass insbesondere die konjunkturelle Entwicklung einen wesentlichen Einfluss auf die Einstellungszahlen bei bestimmten Handwerksberufen hat, zeigte Andre Harting am Beispiel des Bäckerberufes. Zum 31. Juli wurde in Schaumburg kein neuer Bäcker zur Ausbildung eingestellt. Bekanntermaßen hatten auch in Schaumburg eine Reihe von zum Teil alteingesessenen Bäckereien ihren Betrieb geschlossen.
Ein bekannter großer Bäckereibetrieb mit Firmensitz kurz hinter der Grenze zu Nordrhein-Westfalen, hatte acht neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Statt nach Stadthagen müssen die jungen Leute nun zur Berufsschule nach Herford oder Bielefeld reisen. Ebenfalls erkennbar ist ein deutlicher Rückgang bei den Auszubildendenzahlen im Hochbau. Bei den Maurern und Zimmerern starteten 2022 noch fünf Auszubildende, in diesem Jahr nur noch drei. Bei der verkürzten Ausbildung zu Hochbau-Facharbeitern steht in diesem Jahr eine Null. Harting sieht unter anderem die schwierige Lage in der unsicheren Entwicklung in der Baubranche. Die Zahlen bei Bauanträgen und Baukrediten sind um etwa 30 Prozent eingebrochen (wir berichteten). Harting sieht große Verbesserungsmöglichkeiten bei strukturellen Veränderungen – Stichwort Vernetzung – auch beim Verkehr. Wenn in Schaumburg in einem Beruf nicht ausgebildet werden kann, ist Hannover noch erreichbar – Rinteln oder Hameln mit öffentlichen Verkehrsmitteln jedoch nicht.
IHK: „Das Angebot an Stellen ist riesig – auch in Schaumburg“, stellt Martin Wrede unumwunden fest. Die Vergütung spielt seiner Ansicht nach keine wesentliche Rolle bei der Wahl des Ausbildungsplatzes. Der Ausbildungslohn ist gesetzlich vorgeschrieben. Nach Angaben des Bundesinstitutes für Berufsbildung (BIB) ist der Anteil von Abiturienten, die nicht gleich in ein Studium einsteigen, sondern zumindest zunächst eine Ausbildung anstreben, in den letzten Jahren von 23 Prozent auf 30 Prozent gestiegen. Gerade für die Gruppe von jungen Erwachsenen bietet das Duale Studium eine ausgezeichnete Alternative. Die IHK arbeitet dabei bereits mit Kooperationen unter anderem mit dem Campus Minden. Auf die öffentlich gewordene Schieflage eines der großen Arbeitgeber Schaumburg – Riha-Wesergold- angesprochen, wollte Wrede nicht eingehen. „Als IHK kommentiere ich das nicht!“ Ganz allgemein ist der Geschäftsstellenleiter der Ansicht, dass neben den allgemeinen Entwicklungen bei den Energiepreisen und der Inflation, der offensichtliche Fachkräftemangel für die derzeitige Situation auf dem Arbeitsmarkt verantwortlich ist. Wichtig ist seiner Ansicht nach eine Entschlackung des allgemeinen Abgabeniveaus (Steuern) und besonders der Bürokratie.
“Wir reden nicht mehr von prekären Ausbildungsvergütungen!“
Handwerkerschaft: Auch Andre Harting bietet mit dem Hinweis auf ein Duales Studium eine interessante Alternative für Gymnasiasten an. Viele Handwerksbetrieb suchen nach geeigneten Personen, die in den kommenden Jahren den Betrieb übernehmen können. Diese Perspektive, eine Weiterausbildung zum Handwerksmeister, die große Jobsicherheit, aber auch die Höhe der bereits in der Ausbildung gezahlten Vergütungen, sind positive Perspektiven für angehende Handwerker. Ein Tischler-Azubi erhält in der dreijährigen Ausbildung Vergütungen von anfangs 740 Euro bis zu 1.000 Euro im dritten Jahr. Ein Auszubildender im Sanitärhandwerk beginnt mit 855 Euro und erhält am Ende über 1.000 Euro. Mit Blick auf die Werbung für das Handwerk setzt Andre Harting als Interessenvertretung in der Zukunft auf eine Reihe von Maßnahmen. Persönliche Kontakte und insbesondere die Netzwerkarbeit nehmen hierbei eine besondere Rolle ein. Schulinformationstage, die bislang in den mittleren Schulformen besucht wurden, sollen auf die gymnasialen Stufen ausgeweitet werden. Mit Hilfe der Medien werden die großen Chancen im Handwerk beworben. Der Syndikusanwalt für Hameln und Schaumburg will zukünftig bereits jüngere Menschen für das Handwerk begeistern. Großveranstaltungen, beispielsweise von Jugendfeuerwehren, könnten dabei als Forum dienen. Mit Blick auf die zurückliegende Regionalschau und die vielen Interessenten an den Handwerker-Ständen, resümierte Harting:“ Jedes Ausbildungsverhältnis zählt. Aus ganz vielen Praktikanten werden Azubi!“
IHK: Martin Wrede arbeitet, wie der gesamte Kammerbezirk, mit zielgruppenorientierten Maßnahmen, zum einen mit den Schulabgängern, zum anderen mit den Unternehmen. Unter dem Stichwort „Ausbildungsmarketing“, finden interessierte junge Menschen alle wichtigen Informationen im Netz. Ein eigener Bereich spricht besonders die Eltern der Schulabgänger an. Der Suchbegriff „#könnenlernen“ öffnet Informationsseiten der IHK auf allen bekannten Internetportalen. Mit dem Programm „AZUBI GESUCHT?“ wendet sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (bmwi) direkt an kleine und mittelständische Unternehmen. Mit dem Ziel einer passgenauen Besetzung wird den Unternehmen eine eins zu eins – Betreuung angeboten. Grundsätzlich ist Wrede optimistisch, die Arbeitsplätze in Schaumburg zu halten. Der allgemeine Transformationsprozess ist durch die Krisen beschleunigt worden. Andre Harting sieht eine sehr positive Entwicklung bei der Integration von ausländischen Jugendlichen. „Sobald die Sprachbarriere überwunden ist, haben wir positive Erfahrungen gemacht.“