Strittiges Verkehrsprojekt | Wunstorfer-Stadtanzeiger

Strittiges Verkehrsprojekt

Protest: Bürgerinitiativen aus Kolenfeld, Groß Munzel und der Samtgemeinde Nenndorf haben im März gegen den geplanten Bau einer ICE-Neubautrasse demonstriert. (Foto: privat)
Protest: Bürgerinitiativen aus Kolenfeld, Groß Munzel und der Samtgemeinde Nenndorf haben im März gegen den geplanten Bau einer ICE-Neubautrasse demonstriert. (Foto: privat)
Protest: Bürgerinitiativen aus Kolenfeld, Groß Munzel und der Samtgemeinde Nenndorf haben im März gegen den geplanten Bau einer ICE-Neubautrasse demonstriert. (Foto: privat)
Protest: Bürgerinitiativen aus Kolenfeld, Groß Munzel und der Samtgemeinde Nenndorf haben im März gegen den geplanten Bau einer ICE-Neubautrasse demonstriert. (Foto: privat)
Protest: Bürgerinitiativen aus Kolenfeld, Groß Munzel und der Samtgemeinde Nenndorf haben im März gegen den geplanten Bau einer ICE-Neubautrasse demonstriert. (Foto: privat)

Die Bahn will die Fahrtzeit im Fernverkehr zwischen Hannover und Bielefeld von derzeit von 48 auf 31 Minuten verkürzen. Wie das gelingen kann, ist hoch umstritten, weil es viele Engpässe gibt - darunter Wunstorf - und zum Teil neue Gleise verlegt werden müssen. Bürgerinitiativen kritisieren seit längerem das Projekt. Am Dienstag hat die Bahn nun 12 Varianten vorgestellt, die aus ihrer Sicht das gesteckte Ziel erreichen können. Bei jeder Variante wird Wunstorf im Süden umfahren.

Innerhalb des bereits bekannten Suchraums hat die Bahn 12 Trassenkorridore ausgemacht, die technisch umsetzbar und zielerfüllend wären. In den nächsten Monaten werden die Varianten gleichberechtigt geprüft und sowohl online als auch vor Ort mit der Öffentlichkeit ausführlich erörtert, teilt die Bahn mit. Alle Beteiligten werden im Sinne des Gemeinwohls in den Abwägungsprozess eingebunden und können Anregungen eingeben und Fragen stellen.

Kolenfelder Bürgerinitiative bleibt skeptisch

Das klinge grundsätzlich gut, sagt Jörg Nohl von der Kolenfelder Bürgerinitiative. Schon länger versuche man, in einen interaktiven Austausch mit der Bahn zu kommen und werde das auch auf Grundlage der neuesten Entwicklungen tun. Bislang würden allerdings entsprechende Hinweise und Argumente der Bevölkerung eher weniger beachtet oder zum Anlass für eine kritische Auseinandersetzung genommen. Das lasse sich auch gut an der jetzt sehr kurzfristig veröffentlichten Pressemitteilung erkennen, so Nohl. So würde darin die Bestandsstrecke - wie von der Bürgerinitiative gefordert - in keinster Weise betrachtet. Überrascht ist Nohl von den vorgeschlagenen Trassenvarianten aber nicht. ”Uns war schon klar, dass die Bahn nur mit einer südlichen Umfahrung von Wunstorf rechnerisch auf die 17 Minuten Zeitersparnis kommen kann”, so Nohl zum Stadtanzeiger.

Ob das dann aber auch realisiert werden kann, ist aus seiner Sicht mehr als zweifelhaft, da eine Neubautrasse in der Nähe der Deponie zum Beispiel durch ein Bodensenkungsgebiet verlaufen würde. Hier könne die Bahn nach eigener Aussage nicht mit 300 km/h durchfahren. Eine bestimmte Geschwindigkeit ist aber für den Deutschlandtakt wiederum erforderlich. Wird sie gar nicht erreicht, stelle sich schon die Frage, wofür der Aufwand, der massive Eingriffe in Natur und Landschaft beinhaltet, überhaupt betrieben wird. Überhaupt sei das Hauptziel einer Fahrtzeitverkürzung im Fernverkehr unabhängig von der Realisierbarkeit fragwürdig. Vielmehr müsse der Nah- und Regionalverkehr verbessert werden, da hier das höchste Fahrgastaufkommen zu verzeichnen ist, sagt Nohl.

Geplante Generalsanierung nutzen

Heißt: Die Bahn solle ihren Fokus auf eine Ausweitung der Kapazitäten legen. Das könne dann auch schneller erreicht werden als der Neubau einer ICE-Trasse, für die Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren noch Jahre in Anspruch nehmen können. ”Gerade mit Blick auf Klimawandel und Verkehrswende ist es nicht nachvollziehbar, an einem Projekt festzuhalten, das frühestens in den Jahren 2043 oder 2044 fertig sein wird”, so Nohl. Er verweist auf die beabsichtigte Generalsanierung des Gleisbetts zwischen Wunstorf und Minden im Jahr 2030. Dieses Vorhaben könne man zum Anlass nehmen, um die notwendigen zusätzlichen Kapazitäten auf der Bestandsstrecke zu schaffen. Laut Bahn wären vier Gleise zwischen Wunstorf und Haste möglich. Die Flächen stünden zur Verfügung. Der Bahnhof muss dafür auch nicht abgerissen werden. Nur mit 300 km/h ginge es dann hier nicht, sondern wie bisher mit 160 km/h.

Beliebt ist so eine Variante in der Stadt Wunstorf allerdings nicht. Man befürchtet mehr Zugverkehr und vor allem Lärm. Allerdings, so sagt es Nohl, gebe es nur bei einem Ausbau der Bestandsstrecke auch mehr Lärmschutz. Käme hingegen eine ICE-Neubautrasse südlich von Wunstorf, würde in der Stadt alles so bleiben, wie es bisher ist und zusätzlicher Güterverkehr unter Umständen trotzdem durch Wunstorf rollen. Die Generalsanierung zur Kapazitätsausweitung zu nutzen, liege im Übrigen auch auf Linie des Bundesverkehrsministers, der genau diese Position gerade beim Ausbau der Strecke Hannover-Hamburg vertritt und damit Abstand vom Neubau einer ICE-Trasse genommen hat.

Info-Märkte und Regional-Treffen

Bei allen 12 Varianten handelt es sich um je einen Kilometer breite Korridore, innerhalb derer ein Streckenverlauf möglich ist. Bei allen ist ab Seelze der Bau neuer Gleise geplant, wobei bis Groß Munzel alle Varianten ähnlich verlaufen. Die Ostermunzeler Straße würde südlich von Dedensen mit einer Brücke überquert. Südlich von Kolenfeld überbrücken die Gleise die Autobahn A2 und verlaufen durch den südlichen Teil des Haster Waldes. Die Varianten 1 bis 6 verlaufen ab Bad Nenndorf nahe der Bestandsstrecke bis nach Bückeburg. Die Varianten 7 bis 9 führen durch den Bückeberg und die Varianten 10 bis 12 durch das Auetal. Das Wesergebirge wird in Porta Westfalica durchfahren: Bei den Varianten 1 und 2 mit einer Brücke, bei den anderen mit einem Tunnel. Für die Anbindung der Neubaustrecke an die bestehenden Gleise in Bielefeld werden verschiedene Lösungen vorgestellt. Geplant sind nun mehrere Regional-Treffen und Info-Märkte ab September vor Ort, bei denen die Ergebnisse diskutiert werden. Bis zum Sommer 2025 soll die Zahl der Strecken-Varianten reduziert werden. Anschließend startet die vertiefte technische Planung.


André Tautenhahn (tau)
André Tautenhahn (tau)

Freiberuflicher Journalist

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