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Kolumne: Bergmanns Plauderecke

„Kleider machen Leute“ – das Zitat fiel mir sofort ein, als ich kürzlich selbst mit dem Sinn des Spruches konfrontiert wurde. Dazu etwas später mehr. Als Ursprungsquelle für den Sinnspruch gilt der römische Rhetorik-Lehrer Quintilian, der seinen Schülern damit deutlich machen wollte, man solle Wohlstand nicht vortäuschen, indem man entsprechende Kleidung trüge. Neueren Datums ist eine bekannte Novelle des Schweizers Gottfried Keller, der einen Schneidergesellen schildert, der wegen seiner Kleidung für einen Adeligen gehalten wird. Ich kann es mir außerdem nicht verkneifen, den im Februar 2019 verstorbenen Modedesigner Karl Lagerfeld zu zitieren. Die Aussagen dazu variieren immer etwas, aber 2012 sagte er in einer TV-Talkshow: “Man hat die Kontrolle über sein Leben verloren und dann geht man eben in Jogginghosen auf die Straße!“ Soviel wieder einmal zum „Thekenwissen“, oder auch „Nice to know“. Hartnäckig hält sich auch das Gerücht, dass man in hochpreisigen Modeboutiquen nicht ernst genommen wird, wenn man als Kundin/Kunde (Einkaufende) nicht entsprechend gekleidet ist. Frei nach der Devise, die/der kann sich unsere Ware sowieso nicht leisten. Schauen Sie sich dazu einmal den Film „Pretty Woman“ mit Julia Roberts an. Auch Verkäufer in speziellen Autohäusern für Luxusmarken sollen sich angeblich ab und an so verhalten. Bei uns in der Provinz schließe ich das grundsätzlich aus. Wenn Sie, liebe Lesenden (!), eine andere Erfahrung gemacht haben, schreiben Sie mir gern. Die Mailadresse finden Sie am Schluss. Nun zu meinem eigenen Erlebnis. Kürzlich besuchte ich aus beruflichen Gründen eine der kleinen Demonstrationen, die nicht großartig angekündigt worden war. Etwa 100 Menschen versammelten sich auf einem Marktplatz, um gegen die AfD und gegen Rassismus im Allgemeinen zu protestieren. Als ich mich mitten im Gespräch mit den Organisatoren befand, drängte sich eine – Verzeihung – wirklich betagte Dame mit Rollator zwischen uns. Mit eindringlichem Blick sah sie mich an und fragte: “Sind Sie von der AfD?“ Ich war sprachlos und das passiert mir eigentlich sehr selten. Nach einem kurzen entschiedenen „Nein!“, machte sich die Seniorin langsam wieder auf den Weg. Die Situation ließ mir keine Ruhe und ich wollte den Grund für ihre Frage wissen. Ohne zu zögern wies sie auf meine Kleidung hin. Zur Erklärung: Ich trug aufgrund des Schmuddelwetters dunkle Trekkingstiefel eines Österreichischen Herstellers und eine hellblaue Outdoor-Jacke mit roten Reißverschlüssen eines Skandinavischen Labels. Kein Lonsdale, das war zeitweise sogar verboten, und auch kein Helly Hansen (wegen der Stickerei „HH“). Schauen Sie sich einmal das AfD-Logo an! Die reine Farbkombination meiner Kleidung hatte die ältere Dame zu ihrer Frage inspiriert. Ich mag die Farbe Blau und habe tatsächlich nicht ansatzweise einen Bezug zu der Partei gezogen. Muss ich mir eigentlich jetzt auch Gedanken machen, wenn ich eine schwarze oder eine rote oder eine gelbe Jacke trage? In der Gesprächsrunde, in die ich zurückkehrte, wurde die Situation mit Humor aufgenommen. Ich dachte jedoch noch länger darüber nach. Ganz besonders hat mich dann die Courage der Seniorin beeindruckt. Den Mut aufzubringen, ganz alleine eine wildfremde Person auf eine mögliche Mitgliedschaft in der AfD anzusprechen, dazu gehört eine ordentliche Portion Zivilcourage. Diese Kolumne hätte auch unter Überschrift „Zivilcourage“ stehen können. Überall in Deutschland gehen derzeit tausende Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus „aus der Mitte der Gesellschaft“ zu protestieren. Diese kleine Begebenheit hat mich fasziniert! Nehmen wir uns ruhig ein Beispiel an dieser Frau!
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Bergmanns Plauderecke

Ich bin ja der Ansicht, dass man für bestimmte Themen keinen besonderen Tag benötigt (Weltkindertag, Weltfrauentag, …). Da ist es traurig genug, dass man mit einem Gedenktag ein besonderes Augenmerk darauf richten muss. Ganz anders sehe ich es beim Tag des Lächelns. An dieser Stelle, wie so oft, wieder einmal etwas „Thekenwissen“: Der deutsche Erwachsene lacht durchschnittlich lediglich 18 mal am Tag. Lachen ist ein echtes Workout – es werden dabei bis zu 300 Muskeln angeregt. Seit 1964 existiert an der renommierten Stanford-Universität ein Institut für Gelotologie (Auswirkungen des Lachens). Nachweislich fördert Lachen die Produktion von Endorphinen (eines der Glückshormone), Antikörpern und Immunzellen und das heißt: Lachen ist gesund! Bei der Frage, welches Land denn nun das Land des Lächelns ist, sind sich die Gelehrten uneins. Genannt werden aber immer Japan und Thailand. Lachyoga ist voll im Trend. Von kostenlosen Kursen im Kurpark bis zum Tagesseminar für 220 Euro ist alles dabei. Ich bin kein gebürtiger Schaumburger. Als es mich vor Jahrzehnten der Liebe wegen nach Schaumburg verschlug, warnten mich einige Menschen vor der Sturheit der Schaumburger. Natürlich weiß ich heute, dass das so generell gar nicht stimmt. Genauso wenig, wie man vor den Fahrern einer Reihe von Autokennzeichen warnt, weil sie angeblich nicht Autofahren können. Zwei kürzlich von mir geführte Telefonate mit zwei Damen am anderen Ende des Telefons, haben mich nachdenklich gemacht und dann zu dieser Kolumne inspiriert. Ich verschweige an dieser Stelle natürlich Einzelheiten zu den Gesprächspartnerinnen, da beide in Schaumburg arbeiten. Die erste, bei der ich einen Termin vereinbaren wollte, vermittelte mir den Eindruck, ich sei ein ungebührlicher Störenfried. Barsche Antworten und spitze Bemerkungen verschärften das Gespräch von ihrer Seite aus, obwohl ich mehrfach versuchte, die Unterhaltung etwas zu entkrampfen. Einen Tag später, ebenfalls ein Anruf, bei dem ich um Unterstützung bat, verlief dieser komplett anders. Ich konnte das Lächeln meiner Gesprächspartnerin förmlich hören. Ich sprach sie sogar darauf an. So kamen wir ins Gespräch und für die junge Frau war es eine Selbstverständlichkeit, ihre Kunden mit einem Lächeln zu begrüßen und das auch am Telefon beizubehalten. Sie fühlte sich sogar selbst wohler, wenn sie sich so verhielt. Ein ernstgemeintes Lächeln erreicht die Augen und die Stimme. Man kann erkennen, ob man lediglich geschäftsmäßig, mit einem quasi eingefrorenen Lächeln, oder mit einem warmen, ernstgemeinten Gesichtsausdrück angesehen wird. Selbst der größte Grummel kann freundlich lachen – wenn er oder sie will. Ich mag den Lachflash (Lachanfall). Dieser oftmals unerklärliche Lachausbruch kann manchmal unglaubliche Reaktionen bewirken und die Personen im direkten Umfeld können nicht anders und müssen mitlachen. Schauen Sie sich einmal Tageschausprecherin Susanne Daubner auf Youtube an. Gern erinnere ich mich an ein eigenes Erlebnis. An einem Sommerabend saß unser Sohn mit seiner Lebensgefährtin mit uns zusammen im Garten. Irgendwie kamen wir – nach einigen Gläsern Wein - auf das Thema der Nationalhymne. Ich konnte mich erinnern, dass Ende der 1940er in Ermangelung einer deutschen Nationalhymne der Karnevalskracher „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“ gesungen wurde. Unter anderem für den deutschen Gewinner des ersten internationalen Radrennens in Köln Müngersdorf vor den Nationalhymnen von Belgien und der Schweiz. Aufgrund von vermutlich alkoholbedingten „Wortfindungsstörungen“ bekam ich den Liedtitel irgendwie nicht voreinander und nach diversen Versuchen, die immer heftigere Lachanfälle hervorbrachten, mussten wir nach drinnen verlegen, um keine Anzeige wegen Lärmbelästigung zu riskieren. Apropos „Tag des Lächelns“. Ich habe mir einmal angesehen, was es so für nationale und internationale Gedenktage gibt und bin dabei auf den „Tag des Regenwurms“ gestoßen – an meinem Geburtstag! Hallo, möchte ich gern sagen, geht’s noch? Ich habe dann aber gelesen, dass der Regenwurm ein sehr nützliches Tier ist und … außerdem haben wir den Tag des Lächelns! Probieren Sie es einmal aus. Lächeln Sie ihr Gegenüber in der Fußgängerzone oder auch am Telefon einfach einmal an. Ich hoffe, meine eine unwirsche Gesprächspartnerin liest die Kolumne, nimmt es mir nicht übel und … lächelt!
Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung.  (Foto: Anne Lund, dänische Aktivistin)

Bergmanns Plauderecke

Zumindest die älteren unter unseren Lesern, aber auch viele junge Menschen, können sich sicherlich noch an den gelben Aufkleber mit der lachenden Sonne erinnern. Erfunden hat ihn die dänische Anti-Atom-Aktivistin Anne Lund 1975. Er wurde das Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung, die ab 1979 bis in die 1990er Jahre Protestaktionen organisierte. Wyhl, Brockdorf, Grohnde, vor allem aber Gorleben, waren in aller Munde. Zumindest ein Gutes hat diese Zeit hervorgebracht – die Keimzelle der „Grünen Bewegung“. „Für was brauche ich Atomkraftwerke, bei mir kommt der Strom aus der Steckdose.“ Mit diesem Spruch eines unbekannten Erfinders, wurde das Kernkraftproblem quasi lächerlich gemacht – zu Unrecht, wie wir heute wissen. Was wir heute aber auch wissen, ist, dass sich neben der kriegsbedingten Gaskrise auch eine Stromkrise entwickelt hat. Ich gebe zu, so richtig verstanden habe ich immer noch nicht, warum das so ist. Daran ändert auch die Erklärung der „Merit-Order“ durch den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nichts. Anders als beim Gas, wird immer noch genügend Strom produziert und es dürfte eigentlich keine Mangelsituation entstehen. Trotzdem schießt der KW-Preis in astronomische Höhen. Steckt möglicherweise Profitgier der Strom-Multis dahinter? Dabei erträgt der Anteil der Gasverstromung lediglich 15 %. Wenn man die drei Atomkraftwerke, für die es noch eine Betriebserlaubnis bis zum Jahresende gibt, zeitlich begrenzt über 2022 hinaus betreiben würde, könnten 11 % - soviel macht der Atomstrom aus – ersetzt werden. Knapp 50 Prozent Strom entstehen bereits durch erneuerbare Energien aus Sonne, Wind und Wasser. Apropos Wind – in Niedersachsen wurden 2021 fast 12.000 Megawatt Strom aus Windenergieanlagen (WEA) gewonnen – in Bayern mickrige 2.500! Der bayerische Ministerpräsident Söder fordert aber in Richtung Niedersachsen, das „Fracking“ voranzutreiben – die Gasförderung, bei der mittels Chemikalien Schieferschichten aufgebrochen und das gelöste Gas gefördert werden kann. Damit schaffen wir nach dem Atommüllproblem das nächste ungelöste Umweltproblem – die Grundwasservergiftung durch Chemikalien. Interessierte suchen einmal nach „Brennendes Wasser aus Wasserhähnen“ (Experten halten die Warnungen übrigens für maßlos übertrieben). Ach ja – die Windräder – das Windrad einer Genossenschaft in Schaumburg stand 22 Monate still, womit ungefähr 100.000 Kilowatt Strom verloren gingen. Den Grund für den Stillstand schaffte eine Umweltschutzorganisation – nicht etwa, weil geschützte Tiere wie die Gelbbauchunke oder der Rotmilan gefährdet waren, sondern wegen eines Formfehlers. Wohlgemerkt, auch ich unterstütze den Umweltschutz. „Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt, sondern von unseren Kindern geliehen“ (Indianische Weisheit) - aber irgendwoher muss unser Strom schon kommen. :“… bei mir kommt der Strom aus der Steckdose…“. Übrigens, für den Bau von Windrädern wird jede Menge Kunststoff benötigt – der besteht aus Rohölprodukten, die Türme sind aus Stahlbeton und das Material muss mit vielen LKW-Ladungen angefahren werden. Sollen WEA nun auch verboten werden? Photovoltaik und solarthermische Energie sind ohne Lithium undenkbar. Man schaue sich einmal die Küsten der Förderländer in Südamerika an - für Jahrhunderte unbewohnbar und verseucht. Soll Photovoltaik ebenfalls verboten werden? Bevor wir tatsächlich Energie gewinnen und verbrauchen können, die ohne schädigende Umwelteinflüsse gelingt, wird es noch Jahrzehnte dauern. Bis dahin müssen wir uns mit Kompromissen behelfen. Der Krieg in der Ukraine hat uns das Energieproblem jetzt ganz deutlich vor Augen geführt. Hoffentlich führt das zumindest zu nachhaltigem Umdenken und wir kehren nicht irgendwann zurück in unser „Wolkenkuckucksheim“. Ihr Axel Bergmann
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