An einem Sonntag, 6.30 Uhr, steigt eine examinierte Pflegekraft in Bad Nenndorf ins Auto, um die erste Kundin mit Medikamenten zu versorgen. Dafür zahlen die Krankenkassen dem häuslichen Pflegedienst, ihrem Arbeitgeber, drei Euro. Davon muss der Lohn, das Auto und Benzin bezahlt werden. „Ein unhaltbarer Zustand“, beklagt Ilka Wöbbeking. „Die schlechte Finanzierung bedroht zunehmend den Bestand der Pflegedienste“, betont die erfahrene Inhaberin eines privaten Pflegedienstes in Bad Nenndorf. Hunderte von Pflegeinrichtungen hätten bereits geschlossen oder Insolvenz angemeldet. Und das in einer Zeit, in der die Nachfrage nach häuslichen Pflegediensten mehr und mehr zunehme. Dafür sorge schon allein der demografische Wandel.
Mit steigender Lebenserwartung steigt auch der Wunsch, die eigene Lebensqualität bis ins hohe Alter zu erhalten. Dazu gehört für die meisten Menschen ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden – auch dann, wenn die eigenen Kräfte schwinden, etwa durch Krankheit, einen Unfall oder einfach durch altersbedingte Einschränkungen. Landauf und landab sind es dann zumeist die häuslichen Pflegedienste, die mit ihren ausgebildeten Mitarbeitenden diesen Menschen zur Seite stehen. „Es könne sich wohl kaum einer vorstellen, was das für harte Arbeit ist, einschließlich der Rufbereitschaft.“ Auch wenn es alle aus der Motivation heraus machen, den Menschen zu helfen. Der zu geringe Verdienst führe auch dazu, dass viele nicht mehr an Feiertagen und an Wochenenden arbeiten wollen, so ihre Erfahrung. Oftmals müssen Mitarbeitende sogar zusätzlich einspringen, weil Mitarbeitende fehlen oder krank sind.
Neben den zu geringen Finanzierungssätzen der Krankenkassen, gäbe es außerdem „Ungerechtigkeiten gegenüber den verschiedenen Pflegediensten, die unbedingt abgeschafft gehören“, fordert Wöbbeking. So bekämen etwa das DRK, die ASB und die Diakonie höhere Bezahlungen, werden öffentlich gefördert. „Wir privaten müssen in allem für uns selbst sorgen.“
Die aufgezählten Schieflagen möchte sie gemeinsam mit ihren 15 Mitarbeitenden nicht weiter stillschweigend hinnehmen. Deshalb mache sie diesen Zustand öffentlich, in der Hoffnung, dass auch örtliche Politiker – aus Stadt, Land und Bund – sich dieser Sache direkt annehmen. Sie würde sich freuen, wenn sie den Politikern in ihrer Einrichtung diese Misere persönlich aufzeigen und vorstellen könnte, „auch wenn ich inzwischen nicht mehr daran glauben kann, dass sie sich sehen lassen und dafür engagieren“, so Wöbbeking.