Wunstorf braucht mehr Wohnungen und insbesondere bezahlbaren Wohnraum. Darin sind sich Verwaltung, Politik, interessierte Projektentwickler und Beobachter dem Grunde nach einig. Es gibt auch potenzielle Flächen, die für eine Quartiersentwicklung in Frage kommen, auch liegen Ideen und Entwürfe zuhauf auf dem Tisch. Nur in der Umsetzung hapert es doch mitunter gewaltig.
Stadteigene Flächen, auf denen Entwicklung theoretisch einfacher und zügiger stattfinden könnte, sind rar oder zu wertvoll (Freibadgelände), um auf ihnen einfach nur Wohnhäuser zu bauen. Der Widerstand in der Öffentlichkeit ist entsprechend groß. Andere Flächen, wie etwa das ehemalige Vion Gelände bieten als Industriebrache genügend Potenzial und sogar einen Eigentümer, der gern ein Wohnquartier darauf entwickeln würde, aber mit seinen Plänen bei der Stadt auf Granit beißt. Die würde dort auch gern ein Wohngebiet sehen, allerdings nicht zu den Bedingungen des Eigentümers. Seit Jahresbeginn herrschte deshalb eine Art Moratorium. Man wollte die begrenzten Kapazitäten in der Bauverwaltung anders verwenden. Doch hinter den Kulissen gab es trotzdem Bewegung, wie aus einer Pressemitteilung der Eigentümergesellschaft hervorgeht. Demnach hatte sich ein Interessent aus Leipzig gemeldet, der Gelände und Vorhaben übernehmen wollte. Im Sommer gab es auch ein Angebot, das für die Eigentümergesellschaft akzeptabel war. ”Wir wären da mit einer schwarzen Null herausgekommen”, so Björn Hiss, Geschäftsführer der Grundstücksgesellschaft DE NMW GmbH (Neue Mitte Wunstorf) zum Stadtanzeiger.
Die Verhandlungen scheiterten aber jüngst, nachdem der ostdeutsche Projektentwickler mit der Stadt Gespräche aufnahm. Daraufhin habe dieser sein Angebot nach unten korrigiert, wie Hiss sagt. Das war dann nicht mehr annehmbar. Bürgermeister Carsten Piellusch bestätigte nach der Sitzung des Verwaltungsausschusses am Montag, dass es konkrete Gespräche mit dem neuen Interessenten gegeben habe und eine Grobplanung abgestimmt worden sei. Demnach habe auch das zweite Angebot des neuen Interessenten über dem ursprünglichen Kaufpreis von 4,5 Millionen Euro gelegen, so Piellusch. Hiss sagt hingegen, dass der Bürgermeister eine Reihe von Kosten unterschlage, die zum Kaufpreis hinzuaddiert werden müssten, wie etwa die Kaufnebenkosten sowie Mittel für Planung, Gutachten, Management und Dokumentation. Immerhin sieben Mitarbeiter waren mit dem Vorhaben betraut, sagt Hiss. Das sei geleistete Arbeit, die ein künftiger Projektentwickler nicht mehr erbringen müsse, sondern übernimmt. Das reduzierte Kaufangebot, das zwar auch über dem ursprünglichen Kaufpreis gelegen habe, decke demnach diese Kosten nicht mehr ab. Das Ergebnis wäre also keine schwarze Null, sondern ein Minus. Für ein solches Geschäft habe Hiss aber kein Mandat.
Hiss bleibt dabei, dass die Stadt mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit von falschen Annahmen ausgehe und daher an unrealistischen Entwürfen festhalte. Der Bürgermeister bestreitet das und verweist darauf, dass man in den Planungen eine Reihe von Änderungen vorgenommen habe und der Neuen Mitte Wunstorf entgegengekommen sei. Es stimme daher nicht, wenn Hiss über die Medien den Eindruck erweckt, die Stadt halte an der Umsetzung des Masterplans aus 2017 fest. Auch sei es kein guter Stil, die Bonität des ostdeutschen Kaufinteressenten in Zweifel zu ziehen, so der Bürgermeister. Die Neue Mitte Wunstorf hatte in ihrer Pressemitteilung behauptet, dass notwendige Bonitäts- und Eigenkapitalnachweise zum Ankauf des Projekts nicht hätten vorgelegt werden können. Der Bürgermeister bezeichnete diese Darstellung als falsch.
Piellusch beließ es im Namen des Verwaltungsausschusses bei der Korrektur der aus seiner Sicht unzutreffenden Behauptungen. Eine vollständige Antwort auf das Schreiben der Neuen Mitte Wunstorf wollen Politik und Verwaltung bei der Haushaltsklausur der Mehrheitsgruppe an diesem Wochenende formulieren. Der Bürgermeister hätte dafür auch gern die anderen Fraktionen des Stadtrates mit im Boot. Doch die Grünen machen da nicht mit. Zwar wolle man die Stellungnahme der Mehrheitsgruppe zunächst abwarten, es bleibe aber dabei, dass die Fraktion die Veränderungssperre für das Vion Gelände, die Verwaltung und Mehrheitsgruppe am Mittwoch im Rat beschließen wollen, nicht mittragen werde. So sagte die Fraktionsvorsitzende Anne Dalig dem Stadtanzeiger: ”Einen weiteren Stillstand können wir uns nicht erlauben.”
Die Veränderungssperre verpflichtet allerdings die Verwaltung, die Bauleitplanung auch zum Abschluss zu bringen. Darauf wies die Vorsitzende des Bauausschusses, Kirsten Riedel (SPD), zuletzt hin. Wie das ohne die Mitwirkung des Eigentümers gehen soll, ist aber unklar. Die Neue Mitte Wunstorf signalisiert jedenfalls weiterhin Gesprächsbereitschaft, wenn auch wenig Hoffnung besteht, dass ein Kompromiss mit der jetzigen Verwaltungsspitze noch gelingt. ”Wir müssen vielleicht bis zu den nächsten Wahlen warten”, sagt Hiss. Seine Projektgesellschaft hat er deshalb in einen „Winterschlaf” versetzt. Durch laufende Einnahmen aus Vermietung könne dieser Modus gehalten werden. Er hofft aber dennoch, durch öffentlichen Druck einen drohenden Dauerstillstand noch abwenden zu können. „Wir sind bestrebt, dieses Projekt gemeinsam mit der Stadt zu verwirklichen. Doch ohne die nötigen Rahmenbedingungen und den konstruktiven Austausch kann eine Revitalisierung des ehemaligen Industrieareals nicht gelingen“, so Hiss.
Bei der Stadt liegt der Fokus der Wohngebietsentwicklung ohnehin auf den Ortsteilen. Das wird immer wieder betont. Doch auch hier gibt es Hürden, die noch nicht übersprungen werden konnten. Das ist zum Beispiel beim ehemaligen Brändel-Grundstück in Blumenau der Fall. Das Problem sind hier aber nicht Konflikte mit Projektentwicklern, mit denen ist man sich weitgehend einig: ”Die haben richtig Bock, was zu machen”, so Stadtbaurat Alexander Wollny. Die Region Hannover hat ein Wörtchen mitzureden. Sie ist für die Raumordnungsplanung zuständig. Werden Wohngebiete in Dörfern geplant, prüft die Behörde, ob die Dimension zur bisherigen Eigenentwicklung passt. Aus Sicht der Region ist das geplante Wohngebiet zu groß. Die Stadt hingegen sagt, dass Gründe für eine Ausnahme gegeben seien, da Blumenau an die Kernstadt sehr gut angebunden ist. Auf eine Ausnahme wird deshalb gedrungen, da eine Änderung der Raumordnungsplanung wiederum Jahre dauern würde. Bürgermeister Piellusch sagte dem Stadtanzeiger auf Nachfrage, dass man hier in den Gesprächen mit der Region zuletzt vorangekommen sei. Doch auch hier gilt, in den Zielen, mehr Wohnraum zu schaffen, ist man sich grundsätzlich einig, in der Umsetzung dagegen noch nicht.