Der zunehmende Gänsekot auf der Badeinsel ist seit Jahren ein Ärgernis für die Besucher (wir berichteten). Auffällig war jetzt auch, die zunehmende Verschlechterung der Wasserqualität in diesem touristisch stark genutzten Bereich des Steinhuder Meeres. Aber tragen wirklich die Gänse die alleinige Schuld an dieser Entwicklung? Auf Nachfrage dieser Zeitung hat die Ökologische Schutzstation Steinhuder Meer (ÖSSM e.V.) eine Stellungnahme zur Graugans Problematik abgegeben.
Nach über 30-jähriger Erfahrung mit Vogelmonitoring und Artenschutz am Steinhuder Meer zeichnet die ÖSSM ein sehr differenziertes Bild, das sie so auch schon gegenüber der Stadt Wunstorf kundgetan hat. Vor dem Bau des Schlammpolders in Großenheidorn gab es dort eine Wiese. Dies war das einzige noch nutzbare Grünland, das unmittelbar an das Seeufer grenzte. Entsprechend wurde es von den Graugänsen genutzt. Mit dem Bau des Schlammpolders fiel diese Fläche weg. Erwartungsgemäß haben die Graugänse in der Folgezeit zunehmend die Badeinsel als Nahrungs- und Brutfläche für sich entdeckt. Auch mit den Menschen auf der Badeinsel haben sie sich zwischenzeitlich arrangiert. Ab zu lesen an den geringen Fluchtdistanzen, die sie gegenüber den Menschen entwickelt haben. Absolut perfekt war für die Vögel die Sperrung der Insel während der Coronazeit. Natürliche Störungen am Nest waren da Fehlanzeige, auch fehlen Beutegreifer wie Füchse oder Seeadler.
Die Vögel koten zwar auch ins Wasser, aber einen Einfluss auf die Wasserqualität sieht die ÖSSM darin nicht. Das meiste davon bleibt nämlich an Land, da der Stoffdurchsatz bei Graugänsen nur ca. 10 bis 15 Minuten beträgt. Vollkommen klar ist, dass der Kot auf der Liegewiese auch störend ist. Wenn man alle Tiere, die auf und am Steinhuder Meer seit Jahrhunderten leben, nimmt, kommt man zu dem Schluss, dass sie insgesamt nur für eine geringe Nährstoffzufuhr sorgen. Vermutlich gelangen heute die meisten Nährstoffe über Zuflüsse aus dem Toten Moor und dem Winzlarer Grenzgraben in den See plus weitgehend von der Landwirtschaft verursachten Immissionen aus der Luft (vor allem Stickstoff). Hier wird seitens des Landes auch bereits einiges getan, so Thomas Brandt, wissenschaftlicher Leiter der ÖSSM.
Nach Ansicht der ÖSSM bringt der bereits seitens der Region Hannover genehmigte Rückschnitt der Büsche wenig und warnt vor erheblichen Kollateralschäden im Zuge dieser Maßnahme. Neben den Gänsen brüten nämlich noch weitere Vögel in den Büschen wie Bluthänfling, heute gefährdete Vogelart, Gelbspötter oder Amsel. Für sinnvoller hält Brandt, das Brüten der Vögel auf der Insel zu verhindern. Hierfür würde seiner Ansicht nach völlig ausreichen, wenn ein oder mehrere Hunde versehen mit einem Maulkorb – am besten mit einem Halter – ein paar Tage nachts von Ende Februar bis Ende März die Gänse in den Büschen und im Röhricht aufscheuchen. Die Gänse könnten dann rechtzeitig „umsteuern“ und ihre Nester anderweitig im Naturschutzgebiet anlegen. „Entsprechende Maßnahmen sind in jedem Fall mit der Naturschutzbehörde abzustimmen“, so Brandt.