Die Handwerker staunten nicht schlecht, als sie vor 43 Jahren bei Arbeiten an einem Fachwerkhaus in der Langen Straße ein Kinderschuh aus seinem Versteck im Gebälk hervorzogen. War es ein Bauernopfer, mit dem Glück für das Haus herbeigewünscht werden sollte? Oder sollten dadurch Hexen und böse Geister vertrieben werden? Zahlreiche Fundstücke und Kostbarkeiten aus mehreren Jahrhunderten, aufschlussreiche Texte, Berichte, Beschreibungen, Urkunden und viele andere Objekte schlummern im Stadtarchiv von Wunstorf, ohne dass sie bisher das Licht der Öffentlichkeit erblickten. Es sei denn, sie gehören zu den auserwählten Stücken, die im „Wunstorf-Info“ des Heimatvereins, im Keller des Rathauses, einen Platz in einer Vitrine bekommen haben. Vieles von den eingelagerten Objekten ist noch gar nicht bekannt beziehungsweise ausgewertet.
Daher wird der Wunsch nach einem Stadtmuseum, nicht Heimatmuseum, in Wunstorf stärker. Ein Anzeichen für ein wachsendes Interesse an der Geschichte des eigenen Wohnortes und an allem, was ihn in der Vergangenheit und daraus auch für die Zukunft interessant macht. Ein Wunsch zur falschen Zeit, wie Bürgermeister Carsten Piellusch angesichts der Finanzlage der Stadt sagt (wir berichteten)? Vor allem aber müsse „es dafür zunächst ein Konzept geben.“ Für Rolf-Axel Eberhardt, Vorsitzender des Heimatvereins, ist eine derartige Einrichtung wünschenswert, aber sieht darin „nur eine mittelfristige Perspektive. Kurzfristig geht das nicht. Und das muss auch die Stadt wollen“, erklärt er. Zwischen Beiden Positionen könnte der richtige Ansatz in dieser Zeit der knappen Kassen für „bessere“ Zeiten liegen.
Ein Konzept könnte unter Federführung des Heimatvereins sowie unter Beteilung der interessierten Öffentlichkeit erstellt werden, bei dem auch die Sichtung der eingelagerten Objekte im städtischen Archiv eine besondere Rolle spielen muss. Einblicke in Museen benachbarter Kommunen und in hannoversche Museen gehören dazu. Denn auch dort ruhen besonders kunstvolle und historisch bedeutende Objekte aus der allumfänglichen Geschichte Wunstorfs. Unterstützung ist gegeben, wie dem Autor beispielsweise im Kestner Museum Hannover gegenüber bekundet wurde. Auch dort wird bedauert, dass zu wenige interessante Objekte der Öffentlichkeit gezeigt werden können.
Bei der Umsetzung oder gar Raumfrage sollte der Blick nicht nur auf die derzeitige Finanzlage gerichtet werden. Geht es doch um ein Projekt der Zukunft, das aber heute beginnen sollte. Was ist auf welchem Wege, mit welchen Mitteln möglich? Welche Entwicklungszwischenstufen können ohne große Kosten das Ziel Stadtmuseum unterstützen? Bei allen Fragen und Planungen wäre es angebracht, ergebnisoffen vorzugehen. Relativ kurzfristig könnte es – nach der Sichtung der vorhandenen Objekte – zur Umsetzung von einem „VIP-Museum“ kommen, einem Wunstorfer Online-Museum, dass Exponate als „Viewing In Public“ für jeden und zu jeder Zeit zugängig macht. Das Kästner Museum bietet seit dem Wunstorfer Stadtjubiläum im Jahr 2021 ein Beispiel dafür. Über einen QR-Code bekommt man den Zugang zu einem Reliquienkästchen aus der Wunstorfer Stiftskirche, das im dortigen Magazin seit Jahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit lagert. In einem Wunstorfer VIP-Museum könnten zusätzlich auch Audio- und Videobeiträge eingebunden werden, die unter Beteiligung von Schülern, Studenten, interessierten Bürgerinnen und Bürgern in Workshop gestaltet werden.
Mit einem VIP-Museum werden Erfahrungen gesammelt, die gegebenenfalls zu einem weiteren Schritt ermutigen: Die Nutzung von großen Fensterflächen, beispielsweise im Flurbereich des Bürgerbüros, um dort in Fenstervitrinen einzelne, etwa Exponate des Monats, zu präsentieren, die über einen QR-Code wiederum mit dem VIP-Museum online Verbindungen zu weiteren Informationen schaffen.
Mithilfe dieser Entwicklungsstufen ließe sich ein Bedarf an einem städtischen Museum in Wunstorf – durchaus unter Einbeziehung der Ortsteile – sowie seine Akzeptanz klarer erkennen, als nur auf Zurufe mit Zustimmung oder Ablehnung von verschiedensten Seiten zu hören, bevor vielleicht die räumliche Frage eines Museums konkretisiert wird. Bereits jetzt könnten beispielsweise Leerstände in der Innenstadt ins Auge gefasst und auf ihre Tauglichkeit als Museumsräume sowie auf ihre Mietlaufzeiten hin begutachtet werden. Letztlich sollten alle Beteiligten – Stadtverwaltung, Politik, Heimatverein und Bürgerinnen und Bürger – bei der Diskussion um die Kosten auch nicht vor der Wunstorfer Abtei haltmachen. Sie wäre mehr als geeignet, als ein Wunstorfer Kulturhaus mit städtischem Museum zu fungieren. Die Initiative zur Planung eines Stadtmuseums sollte sicherlich vom Heimatverein Wunstorf ausgehen, er ist dafür prädestiniert. Dessen Arbeitskreis „Streuobstwiese“ hat unter anderem bewiesen, dass der Verein für neue Wege und neues Engagement offen ist. Bei allem ist Voraussetzung, dass man sich auch auf den Weg machen will – und das jetzt.