In Großenwieden an der Weser steht eine alte Kirche. Im Gewölbe über dem Altarraum gibt es ein gut 500 Jahre altes Gemälde mit einer Darstellung der Auferstehung der Toten am Ende der Welt. Rechts geht es in den Höllenschlund und links ins himmlische Jerusalem. Dazwischen kämpfen Engel und Teufel um die Seelen der Toten.
So hat man sich das damals im Mittelalter vorgestellt. Gut und Böse. Himmel und Hölle. Entweder - oder.
Die Teufel auf der einen Seite sind so plastisch dargestellt, dass sie im Museum Eulenburg in Rinteln den Ausstellungsteil zu den Hexenprozessen illustrieren dürfen. Aber ein Blick auf die Engel lohnt sich auch. Ein besonders großer Engel hält eine Waage in der einen Hand. Mit dem anderen Arm schwingt er ein Schwert, um einen kleinen Teufel zu vertreiben. Der sitzt auf dem einen Waagenarm, um ihn nach unten zu drücken.
Das Bild der Waage, um zu gucken, ob auch alles im Lot ist mit der Summe des Lebens – dieses Bild ist schon viel älter als das Christentum. Auf alten ägyptischen Darstellungen werden die Verstorbenen auf so einer Waage mit ihrem Leben gewogen. Auf der anderen Seite sieht man den Menschen und auf der anderen Waagschale eine Feder, die für Maat, die Weltordnung, steht.
Beim Bild der Waage geht es nicht darum möglichst leicht oder möglichst schwer zu sein. Es geht nicht ums Entweder –Oder. Es geht darum ausgeglichen zu sein, der Weltordnung zu entsprechen, der Maat, dem Shalom, der Wirklichkeit Gottes.
In der Kirche in Großenwieden zerren Engel und Teufel an den Waagschalen des Lebens. Das Schöne ist: Die Waage ist trotzdem genau im Lot. Meistens geht es im Leben nicht um ein Entweder – oder, sondern es geht um das rechte Maß, die Ausgeglichenheit. Dass Sie diese in diesem Sommer für ihr Leben finden, wünsche ich Ihnen. Vielleicht hilft dabei die Einkehr in die Großenwiedener Kirche mit dem Blick hinauf ins Gewölbe mit seinen Engeln und Teufeln und der Waage, bei der mitten im Trubel alles im Lot ist.