Hanns Dieter Hüsch hat eine Reihe von Psalmen umgeschrieben, sozusagen in eine moderne Form und Sprache gebracht. Vor kurzem bin ich auf seine Version von Psalm 18 gestoßen. Besonders beeindruckt haben mich diese Zeilen: „Und meine Tage sind von ihm gezählt, ER lehrt mich, den zu umarmen, dessen Tage ebenfalls gezählt sind.“
Für mich erklären sie wie unendlich dumm es ist, Menschen ungleich zu behandeln. Mitmenschen gering zu achten, zu diskriminieren, ihnen gar Gewalt anzutun. Und das nur, weil sie anders sind als ich? Weil sie einen anderen Glauben haben? Eine andere Hautfarbe? Ein anderes Geschlecht? Warum? Kann ja sein, dass wir von dem Gegensatz zwischen den Anderen und uns selbst leben. Und es ist sogar möglich, dass wir dazu gezwungen sind, weil wir auch „nur” Menschen sind. Aber wir kommen nicht darum herum, auf eine ganz andere Menschenauffassung zu hören, wenn wir dem Evangelium von diesem Jesus von Nazareth zuhören, der von unseren angemessenen Grenzen überhaupt nichts wissen wollte. Jedenfalls nicht, wenn es um seine geliebten Menschen ging. Warum fällt es uns so schwer, das Anders-Sein unserer Mitmenschen zu ignorieren und sie einfach als unsere Mitmenschen zu sehen. Ebenso sterblich, ebenso verletzlich wie wir selbst? Spielen Neid, Gier und Streben nach Macht dabei eine Rolle?
Mit der Endlichkeit meines Lebens auf dieser Welt sollte ich, sollte Mensch doch eigentlich klüger sein – oder? „Und meine Tage sind von ihm gezählt, ER lehrt mich, den zu umarmen, dessen Tage ebenfalls gezählt sind.“ Ob Macht blind macht? Glaubt wirklich irgendjemand, dass es bei einem Krieg Sieger gibt? Die Angehörigen der Toten auf beiden Seiten, die um Ihre Kinder, Väter und Mütter trauern, wissen es besser.
Ich stelle mir vor, auch die Kriegsparteien der Welt würden sich danach richten. Waffen wären überflüssig. Das dadurch gesparte Geld würde für Menschen ausgegeben und nicht gegen sie. Utopie – ist mir schon klar. Aber was für eine Vorstellung! Ich stelle mir vor, alle Soldaten, Generäle und Kämpfer lassen ihre Waffen fallen und gehen nach Hause. Überall auf dieser Welt. Ich stelle mir vor, alle arbeiten stattdessen am Aufbau der Städte und Dörfer oder bestellen ihre Felder. Ich stelle mir vor … Frieden! Wie schön wäre das! Da bräuchte es schon ein Wunder! „Und meine Tage sind von ihm gezählt, ER lehrt mich, den zu umarmen, dessen Tage ebenfalls gezählt sind.“
Zuversicht und Vertrauen brechen heute in unserer Gesellschaft immer mehr weg. Und dieser Vertrauensverlust reicht weit. Bis hin zur Politik, die hin und her schwankt, um es irgendwie richtig zu machen, auch mit dem Frieden. Ich glaube, wir alle müssen Vertrauen erst wieder lernen - und üben. Und auch das mit dem „Liebe deinen Nächsten“. Ich wünsche uns allen, dass wir das wieder – oder neu – lernen. Und das mit Gottes Hilfe – denn sonst können wir es wohl nicht schaffen.