Schluss mit „Stößchen“ ab 14 Jahren | Wunstorfer-Stadtanzeiger

Schluss mit „Stößchen“ ab 14 Jahren

„Stößchen!“ Niedersachsen schließt sich dem Vorstoß von Mecklenburg-Vorpommern an und will das „Begleitete Trinken ab 14“ abschaffen. (Foto: ste)
„Stößchen!“ Niedersachsen schließt sich dem Vorstoß von Mecklenburg-Vorpommern an und will das „Begleitete Trinken ab 14“ abschaffen. (Foto: ste)
„Stößchen!“ Niedersachsen schließt sich dem Vorstoß von Mecklenburg-Vorpommern an und will das „Begleitete Trinken ab 14“ abschaffen. (Foto: ste)
„Stößchen!“ Niedersachsen schließt sich dem Vorstoß von Mecklenburg-Vorpommern an und will das „Begleitete Trinken ab 14“ abschaffen. (Foto: ste)
„Stößchen!“ Niedersachsen schließt sich dem Vorstoß von Mecklenburg-Vorpommern an und will das „Begleitete Trinken ab 14“ abschaffen. (Foto: ste)

Niedersachsen hat sich dem Vorstoß aus Mecklenburg-Vorpommern angeschlossen und will das „Begleitete Trinken ab 14 Jahren“ abschaffen, das bislang im Paragrafen 9 des Jugendschutzgesetzes geregelt ist. Noch in diesem Jahr sollen Gesetzesvorschläge vorliegen. Der Gedanke hinter dem „Begleitenden Trinken“: Wenn Minderjährige im Beisein ihrer Eltern erste Alkoholerfahrungen machen, wird ihr Umgang mit Alkohol bewusster. Doch auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ist erklärtermaßen kein Freund davon und will die Grenze auf 16 Jahre anheben. Das SW wollte von Betroffenen wissen, wie ihre Einstellung dazu ist und fragte nach bei der Schaumburg-Lippischen Diakonie, die im Auftrag des Landkreises Schaumburg für Suchtberatung zuständig ist. Stefan Heinze vermittelte an Alexandra und Sven (beide wollen ihre Nachnamen nicht veröffentlicht sehen), die eine offene Selbsthilfegruppe (Alexandra) und die Gruppe „Alkohol im Straßenverkehr“ (Sven) leiten.

Das „chen” verniedlicht die Gefahren des Alkohol

Alexandras Lebensgeschichte steht von Kindheit an im Zeichen von Zigaretten und Alkohol. Sie kommt aus einer suchtbelasteten Familie und Alkohol war immer verfügbar. Bei Elternteile verstarben letztlich an den Folgen des Konsums. Ihr Bruder fing mit 15 an, regelmäßig zu trinken und zum Weihnachtsfest bekam sie mit den anderen Kindern schon im zarten Alter von acht Jahren „Kinderbowle“, die irgendwie lustig machte. Alkohol wurde verniedlicht, das „chen“ am Bier und Sekt signalisierte: Keine Gefahr! Dann der erste Alkoholintox mit 15 und die heutige Erkenntnis: „Ich hatte ein gestörtes Verhältnis zu Alkohol!“ Nach einer Abstinenzphase zwischen 20 und 30 Jahren ging es dann so richtig in die Vollen: „Kind-Stress-Beruf-Beruhigung durch Alkohol!“ Der Teufelskreis war da. Ihre Message: „14 Jahre ist viel zu jung für den Start mit Alkohol. Wie wollen Eltern das verantwortlich steuern?“ Diakon und Suchtberater Stefan Heinze erklärt, woher die Einstellung „Ab der Konfirmation kannst Du einen Sekt trinken“ kommt: „Ab hier darf man am Abendmahl teilnehmen und da war es bis vor wenigen Jahren noch klar, dass Rotwein im Becher gereicht wird!“ Doch Kinderkörper reagieren empfindlicher auf Alkohol als Erwachsene und ihr Gehirn entwickelt sich noch. Schon kleine Mengen Alkohol können deshalb erhebliche Schäden anrichten.

Bei der Konfirmation das erste Mal betrunken

Auch bei Sven war es so, dass Alkohol in der Familie immer verfügbar und ein Teil der Normalität war. Wenn der Vater Sport schaute, hatte er immer einen „Halben“ dabei und den mopste sich Sven im Kinderalter und setzte die Flasche selbst an. Kinder adaptieren das Verhalten Erwachsener, nennt das die Wissenschaft. Auf dem Dorf von Sven war es normal, dass die Bauern nach getaner Arbeit mit einer Kiste Bier und einer Flasche Korn zusammensaßen und nicht aufhörten, bis beides leer war. Auf seiner Konfirmation trank Sven dann das erste Mal offiziell Alkohol: „Ich weiß gar nicht mehr, wer betrunkener war: Der Pastor bei seinem Besuch oder ich?“ Endlich war er im Kreise der Erwachsenen aufgenommen und das bedeutete auch, dass er durch Trinken dazugehörte. Das war der Start für seine „Karriere“ als Alkoholiker. Seine Forderung geht weiter als die von Niedersachsens Gesundheitsminister Dr. Andreas Philippi: „Kein Alkohol unter 18. Begleitendes Trinken mit 14 ist für mich wie begleitender Selbstmord!“ Aus der Sicht der Suchtberatung, so Stefan Heinze, sei es ganz einfach: „Je früher der Umgang mit Alkohol, desto eher der Kipppunkt zur Sucht!“ Er ist froh, dass Alexandra und Sven in den Selbsthilfegruppen aktiv sind, denn ihre Aussagen seien authentisch und stießen bei den Teilnehmenden auf sehr offene Ohren. Wer sich übrigens als Betroffener einer der offenen Selbsthilfegruppen anschließen möchte, kann das ohne vorherige Anmeldung tun. In Stadthagen gibt es die montags von 18.30 bis 20 Uhr in der Bahnhofstraße 16 und in Rinteln dienstags von 17 bis 19.45 Uhr in der Mühlenstraße 5 beim SHG-Treff.


Sonja und Stephan Weichert
Sonja und Stephan Weichert

Freie Journalisten

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