Heldt: „Das Kämmerchen hinter dem Schrank als Versteck“ | Wunstorfer-Stadtanzeiger

Heldt: „Das Kämmerchen hinter dem Schrank als Versteck“

Jürgen Uebel konnte 70 Teilnehmende begrüßen. (Foto: gk)
Jürgen Uebel konnte 70 Teilnehmende begrüßen. (Foto: gk)
Jürgen Uebel konnte 70 Teilnehmende begrüßen. (Foto: gk)
Jürgen Uebel konnte 70 Teilnehmende begrüßen. (Foto: gk)
Jürgen Uebel konnte 70 Teilnehmende begrüßen. (Foto: gk)

Einen dreiteiligen und damit besonders bemerkenswerten Holocaust-Gedenktag gestalteten der Präventionsrates der Samtgemeinden Nenndorf /Rodenberg, sowie das Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt e.V.“ im Staatsbad. Gut siebzig Personen versammelten sich zunächst auf dem Dr. Ernst Blumenberg-Platz, um den Opfern des faschistischen Terrors zu gedenken. Mit kurzen Ansprachen und Impulsen verschiedener Rednerinnen und Redner – zu denen auch Schülerinnen und Schüler der IGS Rodenberg und des Bad Nenndorfer Gymnasiums gehörten – wurde den Verbrechen des Holocaust gedacht und zur Wachsamkeit gegenüber zunehmendem Antisemitismus aufgerufen, bevor man sich am Holocaust-Mahnmal in der Kurhausstraße zu einem Moment des stillen Gedenkens versammelte. Von dort zogen Teilnehmende weiter zu einer Lesung in die Godehardi- Kirche , in der die dann auf über 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer angewachsene Veranstaltung von Pastor Sebastian Sievers und der Autorin Elfriede Brumsack zur Lesung aus ihrem Buch „Der Unbeugsame“ erwartet wurden.

Nicht nur für Anke Heldt, Präventionsrat, war es als Mitwirkende inhaltlich und situationsbedingt kein leichtes Auftreten am Mikrofon. Während auf der einen Seite im Kurhaus-Restaurant Gäste speisten und dabei durch die Fenster schauten, machten sich vor dem Haus Kassel Jogger für ihren abendlichen Lauf warm. Gegenüber machte ein Angetrunkener seinem Unmut Luft: „Vor uns steht ein dritter Weltkrieg, und ihr labert und labert.“ Gefasst trug Anke Heldt ihre Botschaft vor. Es waren Beschreibungen aus dem Leben ihrer Oma. „Sie wurde als Jüdin geboren und musste während der Kriegszeit fliehen. Zwei ihrer Kinder sind auf der Flucht gestorben. Meine Mutter hat überlebt. Und sie haben jahrelang in einem Kämmerchen hinter einem Wohnzimmerschrank gelebt.“ Nur weil sie eine Dame im Solling so aufgenommen hatte, konnten sie überleben. „Das Kämmerchen kenne ich persönlich auch noch. Und das war für mich als Kind auch noch ein Zufluchtsort.“

Als Vertreterin der Jüdischen Gemeinde ergriff Ludmilla Nekrasova das Wort, die nicht nur zur Wachsamkeit mahnte, sondern ihre Freude darüber kundtat, dass so viele Menschen in Deutschland auf die Straße gehen, um für Demokratie und gegen Hass und Antisemitismus zu demonstrieren. Nekrasova: „Die Demokratie wehrt sich.“

Dietmar Buchholz, der stellvertretender Bürgermeister des Kurortes, betonte: „Wir wollen heute nicht nur ein unübersehbares Zeichen des Erinnerns setzen, sondern auch vor den aktuellen Geschehnissen rechter Gewalt ein wichtiges Zeichen gegen rechts setzen und zeigen, dass Demokraten zusammenstehen. Ein wichtiges Zeichen auch für die Menschen hier in Bad Nenndorf, die Angst haben auf die Straße zu gehen, weil ihnen die Zugehörigkeit abgesprochen wird. Wir stehen an der Seite dieser Menschen. Dass sei besonders an die Mitglieder der jüdischen Gemeinde gerichtet. Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Ralph Tegtmeier, stellvertretender Samtgemeindebürgermeister, der als Vertreter für den verhinderten Samtgemeindebürgermeister das Wort ergriff, bekräftigte auch im Namen der Verwaltung und des Rates, wie wichtig das Gedenken und das Lernen aus der Geschichte ist. „Der Holocaust war der nationalsozialistische Völkermord an 6,3 Millionen europäischer Juden während des zweiten Weltkriegs. Wir gedenken der Entrechteten, Gequälten und Ermordeten. Wir erinnern aber auch an die, die mutig Widerstand leisteten.“ Man erinnere „hier Jahr für Jahr, um das Bewusstsein für ein Nie-Wieder in unserer Gesellschaft zu bilden.“ Und nun müsse man feststellen, „dass es nicht reicht, um zu verhindern, dass deutschnationale, rassistische und menschenverachtende Ideologien wieder Raum greifen und Menschen in unserem Land Angst machen“. Und ruft aus: „Wir müssen unseren sozialen, demokratischen Rechtsstaat schützen. – Nie wieder, das ist heute!“

Autorin Elfriede Brumsack las in der Godehardi- Kirche aus ihrem Buch „Der Unbeugsame – Ein Leben zwischen Verfolgung und Wiedergutmachung“, eine jüdische Geschichte vom Widerstand und Resilienz, vom Mitmachen und Wegschauen der anderen. Eine Lebensgeschichte ihres Schwiegervaters, zu dem sie als Grundlagen auch seine Beschreibungen in Briefen und Tagebüchern heranzog, wie auch Dokumente über Prozesse. Eine Lesung, die die Zuhörenden sehr aufmerksam verfolgten. Und die durch Studierende der CJD-Schlaffhorst-Andersen - Schulen besonderer Weise musikalisch eingebettet wurde. Bedauerlich nur, dass all das die Politiker der örtlichen demokratischen Parteien, die offiziellen Vertreter der Stadt, nicht miterlebten. Nur drei von ihnen wurden gezählt.


Von Gburek, Winfried
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