Geschmacklich sehr anspruchsvoll, aber… | Wunstorfer-Stadtanzeiger

04.10.2024 13:51

Geschmacklich sehr anspruchsvoll, aber…

. (Foto: nd)
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In aller Munde auf Tour – heute im Sülbecker Krug

Kein Zweifel, der Küchenchef hat sehr viel Erfahrung gesammelt und bringt diese auch überzeugend gut auf den Teller. An „unserem“ Samstagabend haben die asiatischen Akzente deutlich überwogen und beeindruckt.

Gut zu erreichen, liegt der Sülbecker Krug direkt an der B65 in Nienstädt, vor und hinter mehreren Wegelagerei-Anlagen (Blitzern), mit Parkplatz vor dem Haus. Der Freestander hat eine lange Tradition und wurde schon 1635 als Ausspann für Postkutschen urkundlich erwähnt und bekam eine Schankerlaubnis. Die Familie Nordmeyer erwarb den Sülbecker Krug 1937, die nächste Generation übernahm in den Sechzigern, und Tochter Astrid führt mit ihrem Mann Lutz Reppegather seit 2007 den Betrieb.
Das Restaurant war im vorderen Teil recht gut besucht, hier wurde als Event ein Hot Pot angeboten, ebenfalls mit asiatischem Akzent. Die Gäste bekommen einen Fonduetopf auf den Tisch mit zwei Kammern, in denen man Fisch und Fleisch nach Belieben erwärmen oder garen kann. Dazu bedient man sich am Buffet, wo die Zutaten Meeresfrüchte, Fleisch und Gemüse sinnvoll und reichlich angeboten werden. Da der hintere Teil des Restaurants dem à-la-carte-Geschäft vorbehalten war, musste auch die Theke im vorderen Bereich für das Buffet herhalten. Das Hot-Pot-Menü wurde für 49 Euro angeboten. Ein fairer Preis, der so gar nicht zu der Kalkulation der normalen Speisekarte passen wollte. Diese beginnt mit einem Kalbsschnitzel für 42,50 Euro und endet mit einer Seezunge für 65 Euro. Eine Flasche Mineralwasser kostet 9 Euro. Vielleicht waren ja gerade diese Gerichte zum Teilen gedacht, das steht aber nirgends. Und fragen konnten wir auch nicht, weil sich uns leider keine Gelegenheit bot, irgendetwas über Speis und Trank in Erfahrung zu bringen. Die Chefin war angestrengt mit den Abläufen beschäftigt, Schuld daran sei der Personalmangel, wie wir von Astrid Nordmeyer einige Tage später schriftlich auf unsere Anfrage erfuhren. Wir haben uns jedenfalls für das „Menü Fleisch“ und das „Menü Fisch“ entschieden, für 75 Euro und 69 Euro. Dazu haben wir uns eine Flasche Fallwind Sauvignon blanc aus Südtirol für 44 Euro aus der sehr gut sortierten Weinkarte ausgesucht. Das Essen war durchgängig lecker, schön angerichtet und leider zu üppig, was den stolzen Preis begründen mag.

Zu den wenigen Anmerkungen, die wir leider nicht vor Ort klären konnten, fällt uns zunächst das klassische Tartar ein, welches so gut gewürzt ist, dass es leider kaum mehr nach sich selbst schmeckt. Die folgende Kalbsbolognese mit Trüffeln auf Spaghettini ist ohne Makel und schließlich ein australisches Filetsteak aus dem 800°-Ofen. Das habe ich gegen ein Rib-Eye-Steak getauscht, weil ein Filet nur in der „blackened“-Version (schwarze Gewürzkruste) und ganz kurz in den Southbend-Ofen gehört. Ohnehin ist es schwer, geeignetes Fleisch für so hohe Temperaturen zu finden. In 800°-Öfen erzielt man mit dem leider sehr teuren US-Beef die besten Ergebnisse, da auf den Ranches meist zweimal sechs Monate lang das Vieh mit Mais gefüttert wird, was wiederum für hohe Eiweiß- und Zuckeranteile in der Muskulatur sorgt. Und diese beiden Komponenten sorgen für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Maillard-Effekt und der Karamellisierung, die bei kurzen, sehr hohen Temperaturen für die unwiderstehliche Kruste und den tollen Geschmack verantwortlich sind. Bei Discounterfleisch sorgt die Temperatur allenfalls für eine schwarze Acrylamidschicht.
Mein Rib-Eye war trotzdem gut gelungen, auch wenn es kein US-Beef war, und über ein preisliches Entgegenkommen hätten wir uns gefreut, denn es kostet im EK die Hälfte vom Filet. Das griechische Joghurteis mit karamellisierten Olivenscheiben war einfach klasse.

Das Fischmenü startet mit dem Tataki vom Gelbflossen-Thunfisch, ein am Stück ganz kurz gegrilltes und in Scheiben serviertes Filet auf einer Avocado-Salsa. Kann man besser nicht machen, nur rotes Tobiko, also mit Azofarbstoff gefärbter Fliegenfischrogen, hat auch als Deko auf dem Teller nichts zu suchen. Auch hiervon gab es viel mehr als nötig. Und nach dem Teller mit der sehr leckeren, ingwerlastigen Zitronengrassuppe werden vom Wolfsbarsch nicht eines, sondern wie auf einem Tellergericht, zwei Filets serviert. Die beiden liegen, bestens auf der Haut gebraten, über einem Spargelrisotto und einer tollen Hummersauce mit grünem Spargel, sind aber kaum zu schaffen.
Trotz der tollen Küchenleistung fällt unser Fazit etwas gemischt aus, weil der Versuch Landhaus-Charakter mit Top Gastronomie zu vereinen nicht ganz stimmig ist. Zunächst fühlten wir uns nicht wirklich willkommen, was bei diesem Preisniveau für die Frage des Wiederkommens entscheidend sein kann. Der personellen Besetzung mag es dann auch geschuldet sein, dass unser Wein nicht auf der Rechnung stand, wir ihn aber natürlich bezahlt haben. Auch fänden wir Stoffservietten besser als Dunicell und mochten es nicht, dass beim Haupteingang der Nebentisch mit Eimer und Lappen abgewaschen wurde. Fazit: Gehobene Preisklasse, tolles Essen, Service geht so.

. (Foto: Christian Kutschera)
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Von Christian Kutschera
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