„Uns hat es richtig hart getroffen” | Wunstorfer-Stadtanzeiger

„Uns hat es richtig hart getroffen”

Leitet die St. Johannes Kita: Eike Fichte. (Foto: tau)
Leitet die St. Johannes Kita: Eike Fichte. (Foto: tau)
Leitet die St. Johannes Kita: Eike Fichte. (Foto: tau)
Leitet die St. Johannes Kita: Eike Fichte. (Foto: tau)
Leitet die St. Johannes Kita: Eike Fichte. (Foto: tau)

Die Kita St. Johannes ist 48 Jahre alt und hat schon so manche Veränderung mitgemacht. Sie war die erste Einrichtung in der Stadt, die einen Hortbetrieb anbot. Von hier aus hat das Modell der frühkindlichen Erziehung Schule gemacht und sich über das gesamte Stadtgebiet ausgedehnt. Die Kooperation mit der Musikschule ist einzigartig, da mit Hilfe von Spenden jedes Vorschulkind kostenlos in den Genuss der musikalischen Früherziehung kommen kann. Es gab aber auch schwierige Zeiten. Und die liegen noch gar nicht so lange zurück, wie Kita-Leiter Eike Fichte im Interview erzählt.

(tau) Herr Fichte, das Stichwort Personalmangel. Wie sehr nervt Sie das inzwischen?

Fichte: Ich bin froh, dass die Zeiten des akuten Personalmangels inzwischen vorbei sind. Derzeit haben wir aktuell noch zwei offene Stellen. Uns hat es während der Coronazeit richtig hart getroffen. Die Auflagen waren sehr belastend für alle und für einige dann zu viel. Sie haben die Konsequenzen gezogen. Die Entscheidungen sind weniger gegen die Kita, sondern eher für neue persönliche Lebenswege getroffen worden. Das ist absolut zu respektieren.

(tau) Dennoch geriet die Kita in eine Notlage?

Fichte: Das ist richtig. In Absprache mit dem Träger ist der Entschluss gefallen, die Betreuungszeiten einzuschränken, von 17 auf 16 Uhr. Das ist bis heute so geblieben. Wir wollen das Angebot step by step wieder ausweiten, aber keine Versprechen machen, die wir nicht einlösen können. Wir sind auf das Vertrauen und das Verständnis der Eltern angewiesen und wir erfahren durch sie viel Unterstützung, auch wenn es schwierige Phasen gab.

(tau) Sie sind seit 2022 Leiter der Kita, mussten quasi als Krisenmanager agieren. Denken Sie manchmal, hätte ich den Schritt nicht gemacht?

Fichte: Nein, überhaupt nicht. Ich war vorher schon stellvertretender Leiter der Kita und es daher folgerichtig, dass ich den Job übernehme. Ich bin auch sehr gerne der Ansprechpartner für die Eltern und arbeite mit einem tollen Team. Oft werde ich gefragt, warum ich das überhaupt mache. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach. Ich mache es für die Kinder. Ich habe selbst zwei Kinder und weiß, wie wichtig eine gute Kindheit und gute Bildung schon in frühen Jahren ist. Es geht um eine gesellschaftliche Aufgabe und die Bereitschaft, diese zu übernehmen. Sie werden in unserem Beruf niemanden finden, der Geld als Begründung anführt.

(tau) Die Attraktivität des Berufes muss aber trotzdem besser werden?

Fichte: Absolut. Die Bezahlung ist aber nur ein Aspekt. Viel wichtiger sind Arbeits- und Ausbildungsbedingungen. Wir brauchen Erzieherinnen und Erzieher. Die Ausbildung dauert vier Jahre, wird aber nicht bezahlt. Ein Unding. Wer macht das dann noch? Im Ergebnis gibt es auf dem Markt kaum noch jemanden, dafür sozialpädagogische Assistenten, was wiederum zu Lasten der Betreuung geht, da gesetzliche Vorgaben Erzieher verlangen und das natürlich auch richtig ist. Kita soll schließlich eine Bildungseinrichtung sein und keine Aufbewahrungsstätte. Daher muss sich dringend etwas ändern, auch an den Ausbildungsinhalten, die mit dem Praxisalltag leider nicht so viel tun haben.

(tau) In der Kita St. Johannes gibt es mit ihnen drei Männer im pädagogischen Team. Wie kommt das eigentlich an?

Fichte: Wahrgenommen wird das als Bereicherung, weil andere Perspektiven in die pädagogische Arbeit einfließen und, was ganz wichtig ist, Kinder neben weiblichen auch männliche Bezugspersonen brauchen. Den Kindern tut das gut und dem Team sowieso. Es gibt weder komische Blicke noch irgendwelche Vorbehalte. Ganz im Gegenteil. Ich würde das Geschlecht auch gar nicht problematisieren, sondern vielmehr den anstehenden Generationenwechsel. Es ist absehbar, dass viele Fachkräfte in wenigen Jahren in den Ruhestand gehen werden. Auch darauf müssen wir uns einstellen und wie schon gesagt, den Beruf attraktiver machen, damit sich mehr junge Menschen für eine Ausbildung interessieren.

(tau) Die Stadt hat in den vergangenen Jahren viele neue Kitas gebaut. Beschäftigte können sich also aussuchen, wo sie arbeiten. Belastet diese Konkurrenz?

Fichte: Im Gegenteil. Die Kitaneueröffnungen sind ein gutes Zeichen, weil ja auch der Bedarf an Betreuung zunimmt. Wir brauchen die Plätze. Insofern haben die neuen Einrichtungen für eine Entlastung oder Entspannung gesorgt, denn die Familien finden für ihre Kinder in der Regel einen Krippen- oder Kitaplatz. Das ist gut. Wo wir Probleme haben, auch bei uns hier in der St. Johannes Kita sind Hortplätze. Die sind so knapp, dass wir die eigenen Kinder aus der Kita, die in die Schule kommen kaum unterbringen können. Hier braucht es dringend Verbesserungen.


André Tautenhahn (tau)
André Tautenhahn (tau)

Freiberuflicher Journalist

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